Es ist vorbei. Also, zumindest für dieses Jahr. Denn es darf durchaus als sicher gelten, daß uns auch nächstes Jahr eine neue Staffel "Germany's Next Topmodel" nicht erspart bleiben wird. Nach Highlander-Manier heißt es mittlerweile in geradezu erschreckender Regelmäßigkeit "es kann nur eine geben", und dieses Jahr hat anscheinend Sara Nuru gewonnen, vielleicht von den diesjährigen halbverhungerten Teenagern noch die junge Dame, die am ehesten im Besitz von so etwas wie "Ausstrahlung" ist. Nur fragt sich der Autor, warum tun sich halbwegs normal wirkende junge Frauen so etwas an?
Die vermutlich 126. Werbepause des Abends ist vorbei. "Hiieh, es geht weiter" verabschiedet sich die Gesprächspartnerin zum wiederholten Mal hastig aus dem ICQ-Chat und der Autor beschließt, doch einmal herauszufinden, was nun dran ist an dieser merkwürdigen Sendung, über die sich Kritiker sogar in ihrer vierten Inkarnation noch aufregen. Immerhin habe ich auch einmal eine Folge Teletubbies angesehen. Jawohl, vollständig. Im Unterschied zu den Teletubbies hätte ich allerdings wohl den gesamten Abend "GNTM" niemals ohne starke psychische Schäden überlebt. Aber nun gut, es gibt ja den Streaming-Service des Senders, so daß man sich zumindest im Nachhinein die 5 Minuten "Finale" einzeln ansehen kann, insbesondere ohne dafür extra einen Fernseher anschaffen zu müssen.
Ich springe in die Sendung an der Stelle, an der offenkundig gerade die Werbepause herum ist. Was die Macher anscheinend nicht daran gehindert hat, sofort noch einmal für 20 Sekunden zu unterbrechen und einen weiteren Werbespot einzuschieben. "Die Entscheidung ist gefallen", verkündet die Moderatorin. Nun würden wir also erfahren, wer das Rennen gemacht habe, "...in zwanzig Sekunden", Werbespot. Sogar der Kandidatin Nuru rutscht in dem Moment ein ungläubiges "was?" heraus.
Nach jenem dreisten Extra-Werbespot verkündet die Klum großspurig, "die Entscheidung fällt, und sie fällt jetzt", als sei dies tatsächlich eine aktuelle Entwicklung und kein seit Tagen und Wochen feststehender Ablauf. Etwa ein halbes dutzend Mal darf Frau Klum andeuten, "jetzt" komme die Entscheidung, und dann passiert erst einmal... nichts. Die Kandidatinnen sollen offenkundig zappeln. "Ich bin stolz auf euch", beide hätten sie es "verdient", aber es gäbe natürlich auch nichts schlimmeres, als so kurz vor dem Ziel schließlich zu verlieren. Der Zynismus der Branche in ein paar Sätzen zusammengefaßt. Schließlich, endlich! wird ein Cosmopolitan-Titelbild eingeblendet, auf dem eine Silhouette durch die "endgültige" Version mit der Gewinnerin ersetzt werden soll. Die Klum quietscht wie ein notleidendes Tier, wiederholt endlos "Sara oder Mandy? Sara oder Mandy?", bis schließlich nach einer weiteren Ewigkeit und quasi erlösend Sara Nuru auf dem Bild erscheint. Vorbei, aus, ich kann nicht mehr, schließe das Browserfenster. Ich will ja nicht meinen Lebensabend als sabbernder, inkontinenter Pflegefall mit schwersten Hirnschäden verbringen. Das schauen sich Leute an? Freiwillig? Regelmäßig? Kaum zu glauben.
Roger Willemsen schrieb letzte Woche in der "sonntaz"über Heidi Klum, er würde am liebsten "sechs Sorten Scheiße aus ihr herausprügeln - wenn es nur nicht so frauenfeindlich wäre". Ich stimme Willemsem nicht ganz zu, denn frauenfeindlich ist vor allem eines: die Sendung, das ganze Konzept. Und daher sind meiner Meinung nach sechs Sorten einfach nicht ausreichend. Man läßt unreife, unterernährte und vor allem: naive Teenager sich selbst erniedrigen, vor Millionen notgeilen Frührentnern halbnackt auf dem Bildschirm herumstolzieren oder steckt sie in irgendwelche lächerlichsten Designerfummel: zum Beispiel das Pseudo-Baströckchen mit Glitzerkorsett, das Fräulein Nuru in meiner Fünf-Minuten-Begegnung mit der Sendung tragen mußte. Man ködert sie mit dem Prinzip Hoffnung, mit der Hoffnung auf die "große Karriere", und auf psychische Kollateralschäden nimmt man keine Rücksicht.
Mädchen, die unbedingt Model werden wollen, sollte man zum Psychologen schicken. Der Job ist unmenschlich, menschen- und vor allem frauenverachtend. Die meisten Models haben einen BMI von unter 18 und gelten damit sogar nach der (extreme Schlankheit bereits als zweifelhaftes Gesundheitsideal anpreisenden) WHO-Klassifikation als untergewichtig. Beide Finalistinnen, so ist zu lesen, haben bei einer Körpergröße von 1,75m bzw. 1,76m eine Kleidergröße von 34. Gesund geht jedenfalls anders, sowohl körperlich als auch geistig. Eine Frau, die von einer Karriere als Laufstegfleisch träumt, gehört behandelt und nicht in eine Casting-Show.
So zynisch wie "Germany's Next Topmodel" ist streng genommen nicht einmal das Dschungelcamp, denn hier wissen die Kandidaten wenigstens, daß sie in einer modernen Freakshow auftreten, in der es vor allem um Schadenfreude und Voyeurismus geht. Von der Seite betrachtet sind die Kandidatinnen tragische Figuren, die am ehesten mein Mitleid erregen, inklusive der sogenannten "Gewinnerin" des Abends.