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Channel: The rm -f Pages - Gesundheit
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Heiler, heile dich selbst

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Das deutsche Gesundheitssystem, so liest man, ist krank. Sterbenskrank. Niedergelassene Ärzte, so hat man den Eindruck, nagen allesamt am Hungertuch, und die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist schon lange nicht mehr gewährleistet. Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe spricht davon, daß man in Kürze gezwungen sei, die Behandlung von Patienten in weniger dringlichen Fällen zu verweigern (oder nur gegen Barzahlung vorzunehmen).

Unanständigerweise wird in der derzeitigen Darstellung kein Unterschied gemacht zwischen angestellten Ärzten insbesondere in Krankenhäusern (die teilweise wirklich extreme Arbeitszeiten zu bewältigen haben, und das bei sehr mäßiger Bezahlung) und den hunderttausenden niedergelassenen Ärzten, denen es zwar normalerweise deutlich besser geht, die mitunter aber sogar am lautesten schreien.

Da fragt sich der brav seine horrende hohen Beiträge (es sei denn natürlich, er hat deutliches Übergewicht) an die gesetzliche Krankenkasse abführende Laie natürlich schon, ob wir an der Schwelle eines neuen Mittelalters stehen. Seit Einführung des Gesundheitsfonds Anfang 2009 zahlen die meisten Versicherten und Arbeitgeber deutlich höhere Beiträge (bis zu 10 Prozent), aber es reiche alles nicht, jammern die Ärzte. Von der Honorarreform, einst vehement gefordert, wollen sie auch nichts mehr wissen. Nach dieser Reform werden Ärzte gleich entlohnt, unabhängig vom Bundesland. Außerdem sind eine Reihe früher einzeln abrechnungsfähiger Sonderbehandlungen wie z.B. Röntgenuntersuchungen in Fallpauschalen aufgegangen, weshalb nun insbesondere bestimmte Fachärzte Angst um die Amortisierung ihrer Gerätschaften haben. Man kann mitunter nicht mal mehr zum Hausarzt gehen, ohne in 20 Minuten Gespräch mindestens 5 Minuten lang die Ohren vollgeheult zu bekommen, wie altruistisch man doch als Arzt heutzutage sein müsse, von niemandem respektiert und von allen ausgebeutet. Die armen Mediziner könnten einem echt leidtun.

Tatsache ist: die Zahl der in Deutschland tätigen Ärzte hat in den letzten Jahren konstant um 1,5 bis 2 Prozent jedes Jahr zugenommen, die der Hausärzte etwas langsamer. 2008 arbeiteten also mindestens 15% mehr Ärzte in Deutschland als noch 1998, während die Bevölkerung im selben Zeitraum praktisch stagnierte. Mit anderen Worten: immer mehr Ärzte versorgen faktisch dieselbe Zahl Menschen im Land. Das Problem ist also letztlich auch eines von hausgemachter Konkurrenz. Verschärft wird die Lage auch durch das eifersüchtig verteidigte Apotheker-Monopol in Verbindung mit einer durch ein wahres Minenfeld von Patenten verschärften künstlichen Verknappung von Arzneimitteln am Markt. Die medizinische Versorgung in Deutschland ist extrem teuer geworden, das stimmt. Aber die Ärzte sind nicht Opfer, sondern Teil des Problems, auch wenn sie versuchen, einen anderen Eindruck zu erwecken.

Nun wird also mal wieder das Schreckgespenst der Unterversorgung beschworen, mitunter sogar gestreikt und wie immer kräftig gejammert. Dabei wären wirksame Maßnahmen recht naheliegend: nicht noch mehr, sondern weniger niedergelassene Allgemeinmediziner und Internisten, dafür besser ausgestattete Fachpraxen in einzelnen Bereichen, eine Öffnung des Apothekenmarkts insbesondere bei Abschaffung der Preisbindung für Arzneimittel und eine drastische Verkürzung der Laufzeit für Arzneimittelpatente, so daß zumindest Standard-Wirkstoffe preiswerter werden. Ich wage zu behaupten, daß die wenigsten Medikamente 25 Jahre benötigen, um ihre Entwicklungskosten hereinzuholen.

Den nächsten hungerleidenden Hausarzt, der mir begegnet, frage ich jedenfalls erst einmal nach seinem Jahreseinkommen und dann danach, wieviel er davon in den letzten 20 Jahren in die Krankenkassen eingezahlt hat.


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