Während Fluglinien darüber nachdenken, Zuschläge von stark übergewichtigen Passagieren zu kassieren, treibt das hausgemachte Problem der Überwichtigkeit in den Wohlstandsnationen auch anderswo skurille Blüten. Gerade berichtet die Presse darüber, daß der Einwanderungsantrag einer Britin in Neuseeland abgelehnt worden sei, und zwar aufgrund ihres BMI.
Nun liest sich die Überschrift "Zu dick für Neuseeland" auf den ersten Blick wie eine Diskriminierungsgeschichte, ist es aber auf den zweiten Blick eigentlich nicht. Denn beinahe alle Industrienationen haben ein Problem mit dem Übergewicht ihrer Bevölkerung. Während ein paar Kilos zuviel auf den Rippen eher eine ästhetische Frage darstellen, darf es wohl als zweifelsfrei gelten, daß massives Übergewicht einer genügend großen Minderheit massive Kosten für die Mehrheit verursacht, ähnlich wie verbreiteter Tabakkonsum.
Während ich ein großer Verfechter von Toleranz bin, also von Diskriminierung wegen des Gewichts genauso wenig halte wie wegen des Geschlechts oder der Hautfarbe, kann ich doch trotzdem verstehen, wenn Staaten versuchen, das Übergewichtsproblem zumindest zu mildern. Denn noch hat die Hochtechnologie noch keine Lösung für das Problem hervorgebracht, das sie selbst geschaffen hat. Einige Menschen verwerten Nahrung besser als andere, und was in Zeiten schlechter Versorgung sogar ein evolutionärer Vorteil ist, wird bei Überversorgung zum Problem.
Die Zahlen klingen erschreckend. Rund die Hälfte der deutschen Männer sei übergewichtig, rund 20% der Bevölkerung sogar fettleibig, kann man in der Datenbank von "eurostat" nachlesen. Bei näherem Hinsehen ist es allerdings nicht ganz so dramatisch wie es auf den ersten Blick klingt, denn bei dieser Einteilung wird starr nach WHO-Schema jeder als übergewichtig eingestuft, der einen BMI von 25 und mehr aufweist, ab 30 wird von krankhafter Fettsucht gesprochen. Bei einer Körpergröße von 1,75m entspricht ein BMI von knapp 30 einem Gewicht von ca. 90kg, was bei vielen Männern alleine aufgrund ihrer größeren Muskelmasse eigentlich keinem massiven Übergewicht entspricht. Denn Fragen wie der individuelle Körperbau, Trainingszustand und das Geschlecht spielen in diesem Schema keine Rolle, was derartige Aussagen zumindest problematisch macht.
Unstreitig ist eine Person mit einem BMI von 30 und darüber nicht "normalgewichtig". Eine massive Gesundheitsgefährdung liegt allerdings noch nicht unbedingt vor, und unter diesem Licht betrachtet dürfte die Zahl der medizinisch relivanten Adipositas-Fälle wohl weit unter einem Fünftel der Bevölkerung liegen. Was uns zurück zu der anfänglich erwähnten Britin bringt. Diese hatte laut Zeitungsbericht ursprünglich einen BMI von rund 65, den sie nach Abnahme von 20kg auf gute 55 reduzieren konnte. Das heißt aber, sie wiegt bei einer Körpergröße von rund 1,55m immer noch ca. 134kg. Daß hier weiterhin massives Übergewicht vorliegt, ist unzweifelhaft (und ich weiß wovon ich spreche, wer mich kennt, weiß wieso), und die Wahrscheinlichkeit, in näherer Zukunft Bekanntschaft mit Gefäßkrankheiten, krankhaften Gewebeveränderungen, Typ-II-Diabetes und/oder Herzinfarkt zu machen, ist bei der Dame in der Tat stark erhöht.
Das Argument der neuseeländischen Verwaltung, die Frau würde mittelfristig eher eine Belastung denn eine Bereicherung für die Wirtschaft des Landes darstellen, ist zwar zynisch, aber nicht unbedingt von der Hand zu weisen. Immerhin geht es hier ja auch nicht um politisches Asyl, sondern um eine Migration aus wirtschaftlichen Gründen. Was mich hier allerdings noch interessieren würde, ist ob in Neuseeland langjährige Kettenraucher auch abgewiesen werden. Das wäre dann wenigstens konsequent.